Wie konnte das passieren? Diese Frage wurde in den Jahren nach der Nazi-Diktatur, dem Weltkrieg und dem Holocaust millionenfach gestellt. Die Antwort hat der Publizist Henryk M. Broder mehrfach gegeben.„Wenn ihr euch fragt, wie das damals passieren konnte: Weil sie damals so waren, wie ihr heute seid.“ Ungerechtigkeit geschieht nicht nur durch diejenigen, die sie aktiv betreiben. Unrecht kann sich nur dann entfalten, wenn niemand aufsteht und „Halt!“ ruft.

Genau das wollten sie, Hitler aufhalten. Eine kleine Gruppe Offiziere der Wehrmacht traffen sich bereits heimlich im Juni 1941. Sie wollten Deutschland retten, seinen Geist erneuern – und bezahlten dafür mit dem eigenen Leben.

Es bleibt ein schwieriges Datum im historischen Gedächtnis: Am 20. Juli 1944 erfolgte der erfolgversprechendste Versuch, das NS-Regime zu eliminieren, als Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg im Führerhauptquartier Wolfsschanze in der Nähe von Rastenburg in Ostpreußen eine Aktentasche mit Sprengstoff zur Explosion brachte und Hitler beinahe tötete. Die Verschwörer sahen die Möglichkeit eines Scheiterns, doch wie Stauffenbergs engster Mitstreiter, Generalmajor Henning von Tresckow, erklärte, musste die Tat um jeden Preis durchgeführt werden, da die Welt erfahren müsse, dass der Widerstand  sein Leben riskierte, um Adolf Hitler zu beseitigen.

Hitler erklärte der Welt nach dem Anschlag allerdings, dass der Widerstand auf „eine sehr kleine Clique ehrgeiziger, rücksichtsloser und zugleich irrationaler, kriminell dummer Offiziere“ zu reduzieren sei. Damit nahm er Kontakt zu späteren Historikern auf, die bis heute oft dazu neigen, die Bedeutung des Widerstands herunterzuspielen und die Motive der Akteure infrage zu stellen.

Zweifel am „Verräter“

Auch deshalb wurde die Ehrung der Gefallenen am 20. Juli nie wirklich großgeschrieben. Obwohl der Aufruf zum Widerstand zum offiziellen Selbstverständnis beider deutscher Staaten gehörte, fand er kaum eine breitere Resonanz. Die Menschen in der Bundesrepublik hatten Zweifel am „Verräter“  Stauffenberg, und die Menschen in der DDR hatten berechtigte Skepsis gegenüber allem, was mit der „antifaschistischen“ Doktrin zu tun hatte.

In den 90ern brach die Vorstellung in sich zusammen, dass die Männer des 20. Juli aufgrund der Verbrechen der Nazis als Vorbilder geeignet seien. Insbesondere Tresckow stand im Verdacht, an den Massakern der Ostfront beteiligt gewesen zu sein. Er unternahm zu spät etwas gegen das System, so dass seine Tat und das seiner Mitverschwörer moralisch nicht anerkannt wurde.

Der Hauptzweck dieser Argumentation war nicht historisch, sondern historisch-politisch: Sie zielte darauf ab, die Vorstellung zu untergraben, dass es ein „anderes“, ein „geheimes, Deutschland“ gegeben hatte, das außerhalb und trotz des totalitären Systems existierte. Eine Sichtweise, die alles verurteilt, was vor der „Befreiung“ von 1945 existierte, um keinen Deutschen von der „Kollektivschuld“ freizusprechen?

„Unbesungenen Helden”

Bis heute bleibt der Widerstand eher kleingeschrieben. Dabei war er gegen das NS-Regime breit gefächert, auch wenn er nicht reichte, um die Nazis von ihren schrecklichen Verbrechen abzuhalten. Der Widerstand reichte von passiver Resistenz und non-konformem Verhalten bis zu Emigration und dem geplanten Attentats- und Umsturzversuch vom 20. Juli 1944.

Getragen wurde er von Männern und Frauen aus allen sozialen Schichten und politischen Lagern. Oppositionskreise in der Wehrmacht zählten ebenso dazu wie die Mitglieder der „Weißen Rose”, des „Kreisauer Kreises” oder der „Roten Kapelle”. Daneben gab es die vielen „unbesungenen Helden”, die Verfolgten Unterschlupf gewährten oder sie mit Lebensmitteln versorgten.

Während Thomas Mann sich aus der Emigration über den Londoner Rundfunk an die deutsche Bevölkerung wandte, schlossen sich andere Emigranten wie der deutsche Kommunist und Jude Harald Hauser der französischen Résistance an, um mit der Waffe gegen das „Dritte Reich” zu kämpfen. So wie diese Taten, liegt auch der 20. Juli wie ein unerwünschtes Geschenk der Widerstandstat im Schoß der Bundesrepublik, mit dem nicht Wenige schwer zu kämpfen haben.

Dabei steht keine Frage für unser Gemeinwesen heute mehr denn je im Raum: Wollen wir Deutschen noch eine Nation sein?  Haben wir als Land noch ein gemeinsames Ziel? Oder sehen wir es als unsere Bestimmung an, den Rest der Welt mit der Idee der nationalen Selbstaufgabe zu beglücken? Kein Land dieser Erde beabsichtigt, unserem postnationalen Sonderweg zu folgen. Wenn wir den postnationalen Sonderweg aber gehen wollen, wohin soll er führen, was wollen wir denn damit erreichen?

Eid: Graf von Stauffenberg des 20. Juli 1944 im Wortlaut

Was passiert wäre, wenn der Anschlag gelungen wäre, bleibt ein Geheimnis. Ob sich die Deutschen mit dem Eid der Akteure arrangieren hätten können, wird für immer ungeklärt bleiben. Um an den Widerstand zu erinnern, hier der Eid Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg des 20. Juli 1944 im Wortlaut:

„Wir glauben an die Zukunft der Deutschen.

Wir wissen im Deutschen Kräfte, die ihn berufen, die Gemeinschaft der abendländischen Völker zu schönerem Leben zu führen.

Wir bekennen uns im Geist und in der Tat zu den großen Überlieferungen unseres Volkes, das durch die Verschmelzung hellenischer und christlicher Ursprünge in germanischem Wesen das abendländische Menschentum schuf.

Wir wollen eine Neue Ordnung, die alle Deutschen zu Trägern des Staates macht und ihnen Recht und Gerechtigkeit verbürgt, verachten aber die Gleichheitslüge und fordern die Anerkennung der naturgegebenen Ränge.

Wir wollen ein Volk, das in der Erde der Heimat verwurzelt, den natürlichen Mächten nahe bleibt, das im Wirken in den gegebenen Lebenskreisen sein Glück und seiner Genüge findet und in freiem Stolze die niederen Triebe des Neides und der Missgunst überwindet.

Wir wollen Führende, die aus allen Schichten des Volkes wachsen, verbunden mit den göttlichen Mächten, durch großen Sinn, Zucht und Opfer den anderen vorangehen.

Wir verbinden uns zu einer untrennbaren Gemeinschaft, die durch Haltung und Tun der neuen Ordnung dient und den künftigen Führern die Kämpfer bildet, derer sie bedürfen.

Wir geloben

untadelig zu leben,

im Gehorsam zu dienen,

unverbrüchlich zu schweigen”.

 

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