Initiiert wurde der Weltfrauentag im August 1910 von der deutschen Sozialistin Clara Zetkin auf dem zweiten Kongress der sozialistischen Internationale in Kopenhagen. Zum ersten Mal forderten dann am 19. März 1911 mehr als eine Million Menschen in Deutschland, Österreich-Ungarn, Dänemark und der Schweiz, dass Frauen Ämter bekleiden und wählen dürfen. Außer in Finnland waren zu diesem Zeitpunkt nirgends in Europa Frauen zur Wahl zugelassen. Das Frauenwahlrecht sollte ein Meilenstein auf dem Weg zur Chancengleichheit von Männern und Frauen werden.
Am 30. November 1918 trat in Deutschland das Reichswahlgesetz mit dem allgemeinen aktiven und passiven Wahlrecht für Frauen in Kraft (genau wie in Österreich, Polen und Russland) im Reichswahlgesetz verankert. Damit konnten Frauen am 19. Januar 1919 zum ersten Mal in Deutschland reichsweit ihr Wahlrecht in Anspruch nehmen und wählen und gewählt werden. In der Schweiz mussten die Frauen bis 1971 warten, bis sie auf Bundesebene dieses Recht beanspruchen konnten. Die Einführung hing von einer männlichen Volksabstimmung ab, ebenso wie in Liechtenstein als europäisches Schlusslicht, wo Frauen erst 1984 das Wahlrecht erhielten. In Länder wie Bhutan, Brunei und Saudi-Arabien ist ein Frauenwahlrecht nicht vorhanden.
Der Frauentag war insbesondere eine Institution der DDR, ein Ritual mit festem Platz der Feiertage. 1946 in der sowjetischen Besatzungszone eingeführt, feiern ihn KPD und SPD zunächst getrennt. Obwohl der Frauentag kein offizieller Feiertag und nicht arbeitsfrei war, ruhte in vielen Betrieben die Produktion spätestens ab Mittag bzw. wurde notdürftig von den verbliebenen Männern übernommen. Die Frauen wurden mit Nelken und kleinen Geschenken beglückt. Die Feministinnen der Bundesrepublik sahen den Frauentag der Ostblockstaaten eher kritisch: “In den 1970er Jahren kannten wir keinen 8. März”, schrieb “Alice Schwarzer 2010 über den ihrer Meinung nach “sozialistischen Muttertag”. Frauen hätten sich in der DDR mit Kuchen, Nelken und “billigem Parfüm” abspeisen lassen.
Billiges Parfüm hin oder her. Über Nelken zu streiten, lenkt immerhin vom eigentlichen Thema ab. Frauen haben im Jahr 2021 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 % weniger verdient als Männer. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am 7. März 2022 mitteilt, erhielten Frauen mit durchschnittlich 19,12 Euro einen um 4,08Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer (23,20 Euro).Eine aktuelle Studie der internationalen Arbeitsorganisation ILO kommt zum Ergebnis: Frauen leisten pro Tag 4 Stunden und 26 Minuten unbezahlte Arbeit im Haushalt. Deutschland liegt dabei knapp überm Schnitt aller untersuchten Länder.
Zu einem ähnlichen Ergebnis war bereits 2017 eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) gekommen. Sie zeigte, dass Frauen im Alter von 18 bis 64 Jahren 2,4-mal so viel Zeit für unbezahlte Fürsorgearbeit und 1,6 mal so viel Zeit für Hausarbeit verwenden wie Männer derselben Altersgruppe. Fast jede zweite Frau in Deutschland arbeitet in Teilzeit. Bei Müttern ist Vollzeitarbeit die Ausnahme, bei Vätern dagegen die Regel. Das wiederum wirkt sich auf das Einkommen, die Karriere und die Alterssicherung von Frauen aus: In allen Bereichen stehen sie hinter den Männern zurück. Ein Hamsterrad sieht von innen auch wie eine Erfolgsleiter aus.
Nun kann man diese Zahlen wie folgt begründen. Frauen haben mehr Fehltage und aus wirtschaftlicher Sicht sind sie ein größeres Risiko für ein Unternehmen. Seelenleiden bei Frauen gelten laut Kranbestandsanalyse der DAK-Gesundheit als Hauptursache für Fehlzeiten. Die Zahl der beruflichen Ausfalltage wegen psychischer Erkrankungen war insgesamt noch nie so hoch: Im Jahr 2016 kamen auf 100 Versicherte beider Geschlechter 246 Fehltage. Betrachtet man die beiden Geschlechter getrennt voneinander, fällt auf, dass Frauen rund 60 % mehr Fehltage wegen psychischer Erkrankungen aufweisen als Männer. Innerhalb der letzten zwanzig Jahre hat sich damit die Zahl verdreifacht. 1997 waren es noch 77 Tage. Was würde Clara Zetkin am 08.März 2022 fordern?