In der westlichen Welt schleichen sich immer mehr Insekten auf den Speiseplan der Menschen. Die Krabbeltiere als „grün“, gesund und klimafreundlich anpreisen. Schon vor 2018 waren einige Insektenarten in der EU rechtmäßig im Verkehr und bereits im Jahr 2019 hat das Unternehmen Cricket One einen Antrag bei der Europäischen Kommission gestellt, um teilweise entfettetes Pulver, das aus der heimischen Grille gewonnen wird, als neuartiges Lebensmittel in der Europäischen Union in Verkehr zu bringen. Am 23. März 2022 kam die EFSA in ihrem wissenschaftlichen Gutachten zu dem Schluss, dass teil entfettetes Pulver aus Hausgrillen unter den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen und in den vorgeschlagenen Verwendungskonzentrationen sicher ist. Für manche ist es die pure Ekel-Vorstellung, anderen entlockt die neue EU-Verordnung nur ein müdes Schulterzucken. Mit ihrem Inkrafttreten dürfen weitere Insekten in Lebensmitteln verarbeitet werden. Bisher war es schon mit Mehlwürmern und Heuschrecken möglich, seit dem 26. Januar dürfen Mehlwürmer und Wanderheuschrecken laut der EU-Kommission auch Hausgrillen und Larven des Getreideschimmelkäfers in Lebensmitteln verarbeitet werden. Insekten im Essen: In vielen Lebensmitteln ist das schon seit Jahren Praxis. Vom Farbstoff E 120, dem „roten Karmin“ haben wohl einige schon gehört. Karmin „besteht aus ausgekochten und zerquetschten Scharlachschildläusen, aus denen ein roter Farbstoff gewonnen wird, der oft in der Lebensmittel-, aber auch in der Kosmetikindustrie eingesetzt wird. Vielerorts herrschen Vorurteile gegenüber Insekten: Wissenschaftler räumen ein, dass es immer noch einen "Ekelfaktor" gibt, der aber überwunden werden soll. Giovanni Sogari, Forscher für Sozial- und Verbraucherfragen an der Universität Parma, glaubt an Überzeugungsarbeit: „Es ist zum Teil eine Frage des Bewusstseins und entspringt unserer sozialen und kulturellen Erfahrung: Viele Europäer ekeln sich schon bei dem Gedanken, Insekten zu essen. Da kommt der sogenannte 'Ekelfaktor' zum Tragen. Mit der Zeit und unter äußerem Einfluss kann sich diese Einstellung jedoch ändern". Die Kampagne ist bereits angelaufen. In den Niederlanden wurde beschlossen, mit Schulkindern zu beginnen. Im Herbst wurde Schülern im Alter von zehn bis zwölf Jahren in einer Schule eine Mahlzeit aus Gemüse, Mehlwürmern und Maden zum Mittagessen angeboten. Die Organisatoren erklärten, dass die Kinder auf diese Weise dabei helfen, die neuen Essgewohnheiten für künftige Generationen in Europa zu schaffen. Doch was viele schon beim Gedanken daran ekelt, könnte großes Potenzial im Kampf gegen den Klimawandel haben, so die Wissenschaft. Bei den „Verbraucherzentralen“ wird deshalb der Punkt „Nachhaltigkeit" als Vorteil des Insekten-Essens aufgezählt: „Studien zeigen, dass Insekten im Vergleich zu Fleisch klimafreundlicher sind: Sie brauchen weniger Platz und Wasser als Rinder, Schweine oder Hühner und verursachen weniger Treibhausgas-Emissionen“, so die Verbraucherzentralen weiter. Das Beispiel Thailand legt eine andere Sicht auf die Dinge. Es gibt nach Schätzungen des Landwirtschaftsministeriums in Thailand etwa 20.000 Grillenfarmen, allesamt in den letzten gut zwei Jahrzehnten entstanden. Die benötigte Betriebstemperatur für die Zucht von Insekten stellt ein Energie-Problem dar. In den Betriebsstätten sind etwa 25 bis 30 Grad Celsius notwendig. Höchster Kostenfaktor ist allerdings das Futter. Es wird industriell gefertigt und muss proteinreich sein, wenn die Grillen schnell wachsen sollen. Daher enthält es neben importiertem Soja auch Fischmehl – ein ökologisch hochproblematischer Zusatz. Dass die Insektenzucht keine langfristige Lösung ist, zeigte auch 2015 die Studie „Crickets Are Not a Free Lunch“. Die Nachhaltigkeitswerte der dabei analysierten Grillenzuchten waren nicht besser als die von Hühnerfarmen. Hinzu kommt, dass die Grillen nicht vor Ort verzehrt, sondern zu Mehl verarbeitet und anschließend durch die halbe Welt transportiert werden. Noch weiß niemand, ob die Massenzucht von Insekten ähnliche Probleme mit sich bringt wie die konventionelle Viehzucht: Krankheiten und Antibiotika. Der nächste Aspekt kann nachdenklich stimmen. Die zugelassenen Höchstwerte in Produkten für Insekten betragen nicht, wie behauptet, fünf Prozent, sondern liegen deutlich höher (bis zu 80%). Die EU legte zudem fest, dass mehrere verschiedene Insekten als Zutaten kombiniert werden dürfen, womit manche Produkte in der Zukunft aus bis zu 100% Insekten bestehen könnten. Derzeit können weiterhin neue Insekten als Zutaten in der EU in Umlauf gebracht werden, noch bevor diese überhaupt geprüft und zugelassen sind. Dieses wurde durch eine Übergangsverordnung möglich. Quellen: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/HTML/?uri=CELEX%3A32023R0058 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/HTML/?uri=CELEX:32021R0882 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/HTML/?uri=CELEX:32021R1975 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/HTML/?uri=CELEX:32023R0005