Bis vor rund 200 Jahren galt die Antarktis als menschenleere Kältewüste. Wer den Kontinent zuerst betrat, ist bis heute unklar. Im tiefsten Süden liegt ein Gebiet, das heute als Queen Maud Land bekannt ist – von den deutschen Forschern der 1930er Jahre als Neuschwabenland bezeichnet. Umgeben von Mythen, Legenden und Fakten bleibt diese Region ein faszinierendes Rätsel der Geschichte. Historisch gesichert ist: Die Namensgebung Neuschwabenland erfolgte durch die Nazis, und eine deutsche Expedition setzte Flaggen und Messinstrumente in der Region.
Ausgangspunkt der Geschichten um Neuschwabenland ist der 17. Dezember 1938: Unter strengster Geheimhaltung brach ein deutsches Schiff auf, angeführt von Kapitän Alfred Ritscher, der bereits Erfahrung mit Polarexpeditionen hatte. Das 8.000 Tonnen schwere Schiff Schwabenland war mit zwei Flugzeugen unterwegs. Die Expedition verfolgte offiziell wirtschaftliche Ziele: Deutschland wollte ein Jagdgebiet für die Walfangflotte erschließen, um den Fettbedarf des Dritten Reiches zu decken. Die Kosten und der Aufwand der Expedition waren extrem hoch: ein 8.000-Tonnen-Schiff, Flugzeuge, Mannschaft und die Versorgung über tausende Kilometer machten das Unternehmen zu einer gewaltigen logistischen Herausforderung. Dabei hätten Norwegen oder das Nordpolarmeer weitaus effizientere Walfanggebiete geboten, die deutlich einfacher zu erreichen gewesen wären. Unter dem Gesichtspunkt von Ertrag und Risiko stand die Antarktisfahrt daher in keinem vernünftigen Verhältnis – logistisch und wirtschaftlich war das Unterfangen höchst fragwürdig. Schon hier beginnt die Ungereimtheit: Über die Expedition ranken sich zahlreiche Legenden. Einige behaupten, dass Hitler oder hochrangige Nazis nach Kriegsende in die Antarktis geflohen seien. Belege dafür gibt es nicht, doch die Vorstellung einer geheimen Festung im ewigen Eis fesselt bis heute die Fantasie.
Nach dem Zweiten Weltkrieg sorgten zwei deutsche U-Boote – U 977 und U 530 – für weltweites Aufsehen. Beide tauchten Wochen nach der deutschen Kapitulation überraschend im argentinischen Hafen von Mar del Plata auf. Die verspätete Ankunft der Boote nährte sofort Gerüchte, die nie belegt werden konnten: Manche glaubten, sie hätten hochrangige NS-Funktionäre oder geheime Ladung in Sicherheit gebracht – vielleicht sogar aus der Antarktis. Zeitungen griffen die Geschichten begeistert auf, und so entstanden Legenden über geheime Basen und Fluchten ans „Ende der Welt“.
Operation Highjump
Die Spekulationen über die Existenz einer solchen Festung schossen jedenfalls endgültig ins Kraut, als die USA im Dezember 1946/Januar 1947 mit der „Operation Highjump“ eine riesige militärische Aktion in der Antarktis mit fast 5.000 Soldaten, 33 Flugzeugen und 13 Schiffen starteten. Bis heute gibt es viele widersprüchliche Meinungen, warum die Operation Highjump überhaupt gestartet wurde. Viele sind der Meinung, dass zur Erforschung der Antarktis nicht so ein großes militärisches Aufgebot nötig gewesen wäre. Vielmehr vermutet man, dass die USA im ewigen Eis des Südpols etwas ganz anderes erwarteten oder von dort aus die Stellung der Sowjets erkunden wollte, mit denen man sich bereits im Kalten Krieg befand. Offiziell sollte die Operation logistische Abläufe und Ausrüstung unter extremen Bedingungen testen.
Doch es ereignete sich eine Serie von Unglücken: Am 30. Dezember stürzte das Flugboot George 1 auf einem Patrouillenflug ab. Nach fast zwei Wochen wurden Überlebende gefunden, drei Männer hatten den Absturz nicht überlebt, neun weitere Flugzeuge mussten defekt zurückgelassen werden. Für Außenstehende wirkte die Häufung der Unfälle geradezu mysteriös. Die Operation wurde vorzeitig beendet aufgrund logistischer Schwierigkeiten, wegen vieler Verletzungen und Todesfälle sowie technischer Probleme. Auf der Rückfahrt nach Neuseeland gab Admiral Richard E. Byrd einem Journalisten des International News Service ein Interview, das am 5. März 1947 im El Mercurio veröffentlicht wurde. Er sagte:„Ich möchte niemanden erschrecken, aber die bittere Realität ist, dass im Falle eines neuen Krieges die Vereinigten Staaten durch Flugzeuge angegriffen werden, die über einen oder beide Pole fliegen werden.“ Byrd sprach über die strategische Bedeutung der Polregionen, aber die Kombination aus ungeklärten Unglücken, der Größe der Expedition und seinen bemerkenswerten Aussagen erzeugte einen bleibenden Eindruck von Geheimnisvollem.
Was US-Admirals Byrd genau damit meinte, bleibt bis heute ungeklärt. Bereits kurze Zeit später wurde über einen Antarktisvertrag diskutiert, eine internationale Übereinkunft, die festlegt, dass die unbewohnte Antarktis zwischen 60 und 90 Grad südlicher Breite ausschließlich friedlicher Nutzung, besonders der wissenschaftlichen Forschung, vorbehalten bleibt. Der Vertrag wurde auf der Antarktiskonferenz 1959 von zwölf Signalstaaten in Washington beraten und trat 1961 in Kraft. Interessant ist, dass sich alle Staaten bis heute daran halten, obwohl es keine ständige militärische Kontrolle gibt, die Verstöße sofort unterbinden könnte.
Oft wird erzählt, die Russen hätten eine Nazi-Basis in Neuschwabenland gefunden. Tatsächlich entdeckten russische Forscher 2016 Überreste der deutschen Wetterstation „Schatzgräber“ – allerdings auf der Insel Alexandra Land, und nicht in der Antarktis. Dort fanden sie Munition, persönliche Gegenstände und Geräte mit Hakenkreuzen. Die Station diente der Wehrmacht der Wetterbeobachtung, hatte aber nichts mit einer geheimen Festung am Südpol zu tun.
Auch heute birgt die Antarktis Geheimnisse, die beinahe wie neue Mythen wirken. Satellitendaten der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) zeigen Hinweise auf uralte, unter dem Eisschild verborgene Kontinentalstrukturen. Schwerkraftanomalien deuten auf massive geologische Formationen hin – Überreste einer Erdgeschichte, die weit älter ist als alles, was wir über die Kontinente wissen. Neuschwabenland bleibt damit ein Ort zwischen dokumentierten Fakten und offenen Fragen. Historisch gesichert ist die deutsche Expedition von 1938/39 – ihr Name, ihre Ziele, ihre Zeit. Genau wie die Operation Highjump. Doch die Erzählungen über U-Boote, verschollene Flugzeuge und rätselhafte Aussagen des amerikanischen Polarforschers Richard E. Byrd schaffen bis heute eine Atmosphäre die wie ein Geheimnis wirkt, das sich nie ganz auflösen ließ.Der Antarktisvertrag von 1961 garantiert bis heute, dass der Kontinent allein dem Frieden und der Forschung dient – und bemerkenswerterweise hat ihn nie ein Staat gebrochen. Vielleicht auch das Zufall, vielleicht politische Notwendigkeit. Oder es zeigt, dass die Antarktis auf seltsame Weise eine andere Welt ist – eine, in der sich alle Nationen an Regeln halten, weil sie wissen, dass dort unten etwas Größeres ruht als Machtinteressen. So bleibt Neuschwabenland ein Ort, an dem Fakten, Rätsel und menschliche Vorstellungskraft ineinanderfließen – ein stilles Kapitel der Erde, das sich der vollständigen Erklärung bis heute entzieht.
https://en.wikipedia.org/wiki/German_Antarctic_Expedition_(1938–1939)
https://en.wikipedia.org/wiki/German_submarine_U-530
https://en.wikipedia.org/wiki/German_submarine_U-977
https://www.uboatarchive.net/U-977A/U-977INT.htm
https://en.wikipedia.org/wiki/Operation_Highjump
https://beataworlds.com/en/antarctica-and-admiral-richard-byrd/
https://en.wikipedia.org/wiki/Schatzgräber_(weather_station)
https://www.livescience.com/56763-photos-secret-german-world-war-ii-base.html
https://www.ats.aq/e/antarctictreaty.html