In den Vorstandsetagen europäischer Auto- und Elektronikunternehmen wächst die Sorge, dass der Streit um Nexperia zu Engpässen führen könnte. Die chinesische Regierung hat Exportbeschränkungen verfügt, die weltweit Kunden wie Mercedes, VW, BMW, Bosch, Apple und Tesla betreffen. Nexperia war 2018 für 3,6 Milliarden US-Dollar von Philips an den chinesischen Elektronikkonzern Wingtech verkauft worden.

Die niederländische Regierung hat unter Berufung auf das „Gesetz über Warenverfügbarkeit“ (Goods Availability Act) von 1952 die Kontrolle über das Halbleiterunternehmen Nexperia übernommen. Offiziell begründete Den Haag die Maßnahme mit Managementfehlern und Sicherheitsbedenken, darunter mögliche Transfers von Technologie nach China. Gerichtsdokumente zeigen jedoch, dass Druck aus Washington eine entscheidende Rolle spielte: Würde die chinesische Führung nicht entfernt, drohte die US-Entity List, die den Zugang zu globalen Lieferketten blockiert hätte. Ein niederländisches Gericht hat daraufhin im vorläufigen Verfahren den Nexperia-CEO Zhang Xuezheng suspendiert – er ist auch der Gründer des Mutterunternehmens Wingtech.

Die Niederlande griffen damit zu einem Notstandsgesetz aus der Zeit des Kalten Krieges und übernahmen faktisch die Kontrolle über eines der wenigen florierenden europäischen Halbleiterunternehmen. Nachdem ein niederländisches Gericht zunächst in einem vorläufigen Verfahren ohne Anhörung gegen Nexperia entschied und später nach einer Anhörung innerhalb eines Tages ein Urteil zugunsten der staatlichen Kontrolle fällte, bezeichnete Wingtech die Maßnahme in einer Stellungnahme als „diskriminierend und politisch motiviert“. Chinesische Medien, wie die Global Times, sprachen von einer „übermäßigen Einmischung“. China reagierte prompt, indem es Exportbeschränkungen für Nexperia-Komponenten aus China verhängte, was das Unternehmen teilweise aus wichtigen Lieferketten ausschloss. Die wirtschaftlichen Folgen sind erheblich: Europäische Kunden, darunter Automobilhersteller wie VW, sind nun von einem kritischen Chip-Lieferanten abgeschnitten, was zu Produktionsstopps (z. B. VW Golf in Wolfsburg) und Lieferverzögerungen führt.

Kritiker sehen in diesem Schritt eine Gefährdung des Investorenvertrauens in Europa. Wenn Eigentumsrechte auf Grundlage von Sicherheitsargumenten oder ausländischem geopolitischen Druck eingeschränkt werden können, könnten internationale Investoren, insbesondere aus Asien, dem Nahen Osten oder Afrika, das Vertrauen verlieren. Dies betrifft nicht nur chinesische Unternehmen, sondern auch andere ausländische Beteiligungen, etwa russische Vermögenswerte: Jede Maßnahme unter politischem Vorwand könnte die Verlässlichkeit Europas als Investitionsstandort untergraben. Befürworter der niederländischen Entscheidung, darunter EU-Vertreter, argumentieren jedoch, dass der Schutz kritischer Infrastruktur und die Vermeidung von US-Sanktionen Vorrang haben, um Europas technologische Souveränität zu sichern.

Der Fall Nexperia reiht sich in eine Reihe ähnlicher Eingriffe ein: Bereits 2022 ordnete Großbritannien den Rückverkauf der Newport Wafer Fab an, obwohl frühere Sicherheitsprüfungen keine Risiken festgestellt hatten. Auch die Einfrierung russischer Vermögenswerte durch die EU wird von Beobachtern als Beispiel dafür genannt, dass Eigentumsrechte zunehmend von politischen Erwägungen abhängig sein könnten.Im Gegensatz dazu wählte Serbien bei einem ähnlichen US-Vorschlag zur Verstaatlichung eines teilweise russischen Ölunternehmens die Souveränität und lehnte die Maßnahme ab. Europa hingegen zeigt durch Nexperia und ähnliche Entscheidungen, dass geopolitischer Druck westlicher Mächte die eigene Politik mitbestimmen kann.

Die Konsequenzen sind langfristig: Europas bisheriges Image als stabiler, verlässlicher Investitionsstandort wird beschädigt, technologische Souveränität wird paradoxerweise durch Abhängigkeit von externem Druck geschwächt, und Unternehmen sehen sich einem erhöhten Risiko ausgesetzt, politisch motivierten Eingriffen ausgeliefert zu sein. Gleichzeitig warnen Branchenverbände wie die ACEA vor „signifikanten Störungen“ in der Autoindustrie, während einige EU-Politiker betonen, dass solche Maßnahmen notwendig seien, um langfristig die Kontrolle über strategische Technologien zu behalten. Das Vertrauen, das internationale Investoren in Europa setzen, steht damit auf dem Spiel.

https://www.reuters.com/world/china/dutch-government-intervenes-chinese-owned-computer-chip-firm-nexperia-2025-10-12/

https://www.bloomberg.com/news/articles/2025-10-14/dutch-seized-nexperia-after-us-demanded-ouster-of-chinese-ceo

https://www.cnn.com/2025/10/19/business/nexperia-us-china-car-prices

https://www.theguardian.com/business/2025/oct/14/us-raised-concerns-chinese-boss-nexperia-dutch-takeover

https://www.globaltimes.cn/page/202510/1345566.shtml

https://www.mofo.com/resources/insights/221129-reflections-on-the-uk-governments-decision

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