Von Anfang an galten die Sanktionen der EU gegen Russland als das schärfste zivile Mittel des Westens. Das Ziel war klar: den Kreml ökonomisch strangulieren, den Krieg in der Ukraine verteuern, eine politische Kehrtwende erzwingen. Zwei Jahre und 18 Sanktionspakete später zeigt sich jedoch ein anderes Bild. Die Europäische Union hat am 18. Juli 2025 ihr 18. Sanktionspaket gegen Russland verabschiedet. Ziel ist es, durch wirtschaftlichen Druck die Kriegskasse Moskaus zu leeren und so den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu erschweren.
Inhalt des Sanktionspakets: Zentrales Element ist die Absenkung des Preisdeckels für russisches Rohöl auf 47,60 US-Dollar pro Barrel. Weiterhin wurden sämtliche Aktivitäten im Zusammenhang mit den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 verboten sowie Sanktionen gegen russische LNG-Unternehmen verschärft. Diese Maßnahmen sollen Russlands Einnahmen aus Energieexporten beschränken und den Zugang zu westlicher Technologie erschweren. Die Durchsetzung der Sanktionen erweist sich als schwierig. Ein großer Teil der russischen Ölexporte läuft über Tankerflotten, die unter wechselnden Flaggen in sogenannten „Schattenflotten“ operieren, außerhalb westlicher Kontrollmechanismen. Preisdeckel lassen sich daher nicht konsequent durchsetzen.
Noch entscheidender ist jedoch, dass Russland seine Handelsströme erfolgreich umgestellt hat. Mehr als 80 % der russischen Ölexporte gehen heute nach Asien – insbesondere nach China und Indien. Diese Länder sind bereit, russisches Öl und Kohle trotz der Sanktionen zu kaufen, oft zu günstigeren Preisen. Zahlungen erfolgen zunehmend in chinesischen Yuan oder indischen Rupien und nicht in Dollar oder Euro. Zudem werden Technologieimporte und Finanztransaktionen oft über Drittländer abgewickelt, was die Wirkung der Sanktionen abschwächt.
Wirtschaftliche Lage Russlands
Trotz des Drucks zeigen sich Russlands Wirtschaft und Staatshaushalt widerstandsfähig. Die Einnahmen aus dem Energieexport sind zwar durch Rabatte gesunken, aber nicht eingebrochen. Die russische Wirtschaft wächst weiterhin, unterstützt durch staatliche Maßnahmen und neue Handelspartner Gleichzeitig baut Russland seine eigene Technologieproduktion aus – auch dort, wo man es lange für unmöglich hielt. Halbleiter werden zunehmend im eigenen Land gefertigt, Ersatzprodukte für westliche Marken schießen aus dem Boden. Mag manches davon improvisiert sein, so zeigt es doch vor allem eines: Russland passt sich an. Und zwar schneller, als viele im Westen erwartet hätten.
Die EU hingegen verliert an Einfluss. Mit jedem neuen Paket kappt sie nicht nur Handelsbeziehungen, sondern auch politische Kanäle. Was einst eine – zugegeben – komplizierte gegenseitige Abhängigkeit war, ist heute ein nahezu vollständiger Bruch. Der Preis dafür? Hohe Energie- und Produktionskosten in Europa, ein Rückgang industrieller Wettbewerbsfähigkeit und das Entstehen neuer geopolitischer Allianzen, in denen Europa keinen Platz mehr hat. Sanktionen wirken – aber nicht immer wie gewünscht. Sie schwächen nicht nur den Adressaten, sondern verändern auch den Absender. Sie zerstören Vertrauen, verengen Handlungsspielräume und lassen Brücken abbrennen, die man für Verhandlungen brauchen könnte.
Deshalb gilt mehr denn je: Man muss mit seinem Gegner reden. Nicht, um ihm zuzustimmen. Nicht, um ihn zu beschwichtigen. Sondern um zu erkennen, welche Dynamiken im Spiel sind – und welche Optionen überhaupt noch offen stehen. Russland wird diesen Krieg nicht beenden, weil westliche Maßnahmen symbolisch stark sind. Sondern nur, wenn es für Moskau rational ist, ihn zu beenden. Die EU-Sanktionen setzen Russland wirtschaftlich unter Druck und erschweren den Zugang zu westlichen Finanzmärkten. Allerdings hat Russland die Auswirkungen durch die Umstellung seiner Handelsbeziehungen und Nutzung alternativer Wege bisher weitgehend abfedern können. Die Sanktionen haben zudem hohe Kosten für die EU verursacht, insbesondere durch steigende Energiepreise und wirtschaftliche Belastungen.
Langfristig bleibt offen, ob die Sanktionen den gewünschten Effekt erzielen. Russland könnte weiter gestärkt aus der Umorientierung hervorgehen, während die EU an Einfluss verliert.Wenn die EU in der neuen Welt nicht nur Zuschauer sein will, sollte sie verstehen, dass Sanktionen immer in beide Richtungen wirken. Sie sind keine exakten Werkzeuge, sondern haben viele unkontrollierbare Nebenwirkungen.