Alles beginnt mit einer Idee…

Rhede/ Westerwolde. Am 01.Januar 2018, erfolgte der Zusammenschluss der Gemeinden Bellingwedde und Vlagtwedde, die nun als Einheitsgemeinde unter dem Namen Westerwolde auftreten. Der Name Westerwolde entstammt dem gleichnamigen historischen Gebiet. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts war es eine selbständige Herrlichkeit des Römischen Reichs und lag völlig isoliert mitten im ausgedehnten Bourtanger Moor. Seit dem 19. Dezember 2018 ist Jaap Velema amtierender Bürgermeister von Westerwolde. Ein Gespräch mit ihm und Jens Willerding (Bürgermeister in Rhede) über die Gebietsverschiebung, neue und alte Verträge mit Partnergemeinden und ihre Ziele.

Herr Velema, im Laufe der letzten Monate wurde ich immer wieder darauf angesprochen, was denn jetzt genau Westerwolde sei – und ob das nicht früher Vlagdwedde hieß. Was ist der Grund der Zusammenlegung der Gemeinden?

Es gibt bei uns, wie bei Ihnen – bestimmte hierarchische Strukturen in der Verwaltung. Ganz oben befindet sich Den Haag, der Bund, die Provinz und dann die Gemeinde. Um bestimmte Abläufe zu verbessern, hat Den Haag entschieden, seinige Aufgaben an die Gemeinde abzugeben. Dafür sind Gelder zur Verfügung gestellt worden. Bereits 2012 wurde aber kommuniziert, dass diese Möglichkeit nur in Betracht gezogen werden kann, wenn die Gemeinden sich vergrößern, da kleine Kommunen diese große Aufgaben wahrscheinlich nicht stemmen können. Nun befinden sich 20 Orte unter dem Begriff Westerwolde mit dem Gemeindesitz in Sellingen. Damit haben wir mehr Aufgaben bekommen, wobei alle Vorhaben natürlich vom Gemeinderat kontrolliert werden. Damit aber ist die Kontrolle der Ausführung ebenfalls näher am Geschehen und es kann schneller entschieden werden.

Das bedeutet ja eine Art zurück in die kleinste Einheit eines Landes?

Ja, zumindest in einigen Bereichen.

Mit der Gebietsverschiebung haben sich nicht nur die Einzugsgebiete verändert, sondern es sind auch alte Verträge ausgelaufen. Dazu gehören auch die der Partnergemeinden. Bellingwedde war lange Partnergemeinde von Rhede und Vlagtwedde von Haren. Werden Sie diese erneuern?

Ja, das werden wir. Natürlich waren die normalen Kontakte in den letzten Jahren durch Corona sehr schwierig. Die Gemeinden und Städte hatten sehr viele eigene Sorgen. Zum einen Corona, die Gebietsreform die vielen Veränderungen, die damit umhergingen. Zum andern haben wir gleichzeitig ein sehr großes Projekt umgesetzt und die Begradigung der Aa zurückentwickelt, worauf ich sehr stolz bin. Diese sollte einst die landwirtschaftliche Nutzfläche vergrößern, veränderte aber nachhaltig das umliegende Landschaftsbild und verringerte den Artenbestand in einer sehr extremen Form. Inzwischen hat sich vieles eingespielt und sobald Corona vorbei ist, werden wir als Gemeinde Einladungen an die Gemeinden Rhede und Haren versenden, die Partnerschaften erneuern und hoffentlich, nach so langer Zeit auch ein bisschen feiern. Dann aber wollen wir auch sofort weiterarbeiten, denn wir sind auf der Suche nach einer Idee, für eine Grenzagenda. Natürlich soll die Kultur über die Grenze vermittelt werden, wir sollten einander einladen, sodass man weiß, wie viele schöne Sachen auf der anderen Seite der Grenze zu finden sind.

Herr Willerding, Sie wollten bereits vor zwei Jahren ein Friedensfest an der ehemaligen Grenze in Neurhede stattfinden lassen. Ist es jetzt an der Zeit das umzusetzen? Oder sehen Sie inzwischen ganz andere Optionen, was erhoffen Sie sich durch diese Partnerschaft?

Die Partnerschaft zwischen Bellingwedde und Rhede bestand seit 1979 und war geprägt durch freundschaftliche Kontakte auf allen Ebenen. Es gab einen intensiven Austausch zwischen den Schulen, Vereinen, den Feuerwehren und darüber hinaus viele private Kontakte. Außerdem hat sich ein grenzüberschreitender Ausschuss für Frieden und Freiheit (auch Friedenskomitee genannt) aus dieser Städtepartnerschaft gebildet, welcher bereits zahlreiche Aktionen rund ums das Thema Frieden durchgeführt hat.

Während meiner Kindheit wurden abends noch die Grenze zu den Niederlanden geschlossen und tagsüber waren Grenzkontrollen ganz normal. Trotz der Abschaffung der Grenzkontrollen im Jahre 1995 durch das Schengener Abkommen ist die Grenze teilweise gefühlt immer noch da. Während der Shoppingausflug nach Winschoten oder Groningen für viele bereits ganz normal ist, bekommt man über das tägliche Geschehen und die aktuellen Nachrichten in der Gemeinde Westerwolde nur sehr wenig mit. Im Jahr 2020 wollten wir etwas wunderbares feiern: 75 Jahre Frieden in Europa. Gemeinsam mit den Vertreterinnen des Friedenskomitees gab es Überlegungen, ein gemeinsames Fest zu feiern, um die Freunde aus den Niederlanden und Deutschland zusammenzubringen. In diesem Zusammenhang gab es Überlegungen, ein gemeinsames Straßenfest mit einem bunten Rahmenprogramm auf der gemeinsamen Grenze auszurichten. Leider hat uns Corona ein Strich durch die Rechnung gemacht. Die aktuellen Nachrichten zeigen, wie wichtig Frieden ist. Ich hoffe, dass die Partnerschaft zwischen Westerwolde und Rhede in diesem Jahr besiegelt wird und genauso erfolgreich fortgesetzt wird, wie sie 1979 zwischen Bellingwedde und Rhede begann. Das Friedenskomitee genießt meine volle Unterstützung. Darüber hinaus erhoffe ich mir, dass viele neue Kontakte und wirtschaftliche Synergien aus dieser neuen Partnerschaft entstehen.

Früher gab es in Rhede Schulpatenschaften mit den Niederlanden. Ist das noch so oder sollen diese erneuert werden?

Das Dollard College Bellingwolde und die Ludgerusschule Rhede bilden eine wichtige Basis für die Städtepartnerschaft. Durch viele gemeinsame Aktionen sorgen die Schulen für ein gutes Miteinander der Schulkinder. Die deutsche und niederländische Sprache stehen auf den jeweiligen Lehrplänen und die Kontakte zueinander werden gepflegt. Im Jahr 2019 haben sich beide Schulen eindrucksvoll an der Friedenswoche beteiligt. Die Ludgerusschule ist sehr fortschrittlich und offen aufgestellt, so dass sie auch als Europaschule ausgezeichnet wurde. Durch die Erneuerung der Städtepartnerschaft erhoffe ich mir auch eine weitere Festigung der Schulpartnerschaft.

Velema: Es ist wichtig, dass Unternehmer sich kennenlernen, auch da können wir voneinander lernen. Das wird beide Länder wirtschaftlich weiter bringen. Wir sollten unsere Umgebung nicht weiterhin als Halbkreis wahrnehmen, weil in unserem Kopf eine Grenze besteht. Alles beginnt mit einem Traum, mit einer Idee.

Wir brauchen Projekte zwischen den Ländern und auch Zeitungen wie diese, weil sie uns Euere Sicht auf uns und andersherum zeigt, denn die deutsche Seite der Grenze ist auch unsere Umgebung, auch wenn wir es manchmal vergessen. Unabhängig davon tragen doch fast alle unsere Vorfahren auch deutsche oder niederländische Gene in sich. Mein Großvater kam aus Ditzum, hat hier gearbeitet und sich in meine Großmutter verliebt. Sobald man sich auch nur ein bisschen kennenlernt, ist das nicht mehr der Holländer oder Deutsche -sondern einfach oft ein netter, manchmal auch liebenswerter Mensch.

Jens Willerding: Städtepartnerschaften zwischen Gemeinden in ganz Europa sind eine wunderbare Möglichkeit, sich gegenseitig kennenzulernen, sich zu verstehen und somit auch einen nachhaltigen Beitrag zum Frieden in Europa zu leisten. Ich freue mich ganz besonders auf die neue Partnerschaft mit unseren Freunden aus der Gemeente Westerwolde.

Ich bedanke mich bei Ihnen für das Gespräch. A.T.L

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