Angekündigte Bauernproteste, fragwürdige Stickstoffbeschränkungen, Diskussionen über Viehhaltung, lebenswichtige Stromversorgung, Klimawandel und Vorschriften, der offensichtliche Wohnungsmangel und die Massenmigration, alles Themen, zu denen die niederländische Regierung schweigt. Am Wochenende wollte der konservativ-liberale Premierminister Mark Rutte (DVD) beim „Tag der offenen Debatte“ seiner Partei eine angekündigte Rede zum Thema Masseneinwanderung halten.

Doch er mied das Thema und erklärte stattdessen, sein Kabinett sei „stabil“. Das sehen viele Menschen in den Niederlanden längst anders: Das zentrale Auffanglager für Flüchtlinge in Ter Apel ist erneut überfüllt, Anwohner beschweren sich über Zerstörung und Diebstahl. Einhundert bis zweihundert Unruhestifter aus Marokko und Tunesien sorgen für Sorge in der Bevölkerung. Die Asylkrise ist ein nationales Problem, leider ist es immer Ter Apel, welches die Schläge einstecken muss, was der Region und auch dem Tourismus sehr schadet. Die Provinz hat Gespräche mit Außenminister Eric van der Burg (Asyl) aufgenommen, aber das Vertrauen der Wähler in alle Regierungsparteien ist längst beschädigt: Nur noch jeder fünfte von ihnen glaubt, dass die Regierung die Asylkrise löst. In Deutschland findet man ähnliche Zahlen. Nur noch 36 Prozent der Menschen in Deutschland haben Vertrauen in die Politiker, 64 Prozent vertrauen  politischen Parteien nicht mehr.

Für Rutte hingegen dürfte das Regieren in Zukunft noch schwieriger werden: Denn nach einem komplizierten Auszählverfahren, steht  nun die Sitzverteilung nach den Wahlen fest. Caroline van der Plas erhält mit ihrer Bauernbürgerbewegung (BBB) 16 der 75 Sitze, nächststärkere Fraktion ist der Zusammenschluss der Grünen und der sozialdemokratischen PvdA mit 14 Sitzen. Für Gesetzesvorhaben wird sich die Regierungskoalition – die VVD verfügt über zehn Sitze, die Christdemokraten (CDA) über sechs, die links-liberale D66 über fünf und die calvinistische CU über drei Sitze – jetzt jeweils einer der beiden als Mehrheitsbeschaffer bedienen müssen.

Für Rutte ein Dilemma: Sucht er die Unterstützung durch die Linken, gefährdet er sein Amt noch mehr. Mit der Bauernbürgerbewegung zusammenzuarbeiten, würde bedeuten, die beiden wichtigen Themen Einwanderung und Stickstoff in Angriff zu nehmen, was seit Jahren nicht passiert. Bereits 2022 war die Flüchtlingsaufnahme völlig überfüllt, die Flüchtlinge schliefen in großen Teilen auf dem Boden. Geändert hat sich seit dem wenig. Selbst der migrationspolitische Sprecher seiner eigenen Partei, Ruben Brekelmans, fordert strenge Maßnahmen zur Migration bis zum Sommer, andernfalls seien „alle Optionen offen“.

Ter Apel: Aufnahmen aus dem August 2022

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