Die Kelly Family– ein Name, der wie kein zweiter für “die Familie” steht, für ganze Generationen begeisterter Fans und natürlich für unzählige Megahits. Mit weit mehr als 20 Millionen verkauften Tonträgern gehören die Kellys zu den erfolgreichsten Familienbands der Welt. Auch als Solokünstler ist jedes Kelly-Mitglied erfolgreich unterwegs. Woher nehmen sie die Kraft immer wieder aufzustehen und neue Wege zu gehen? Wir fragen nach: Ein Gespräch mit Patricia Kelly über ihre Kindheit, die Leidenschaft zur Musik und ihr Privatleben.

Frau Kelly, ob man die Musik der Kelly Familie mochte oder nicht, man konnte ihr in den 90-Zigern Jahren kaum ausweichen. Selbst dann, wenn man sie nicht mochte, kam man nicht umher, dieser Familie einen gewissen Respekt auszusprechen. Mit einem Kelly Bus, der ja nun wirklich Bescheidenheit ausstrahlte, tingelte Ihre Familie von Fußgängerzone zu Fußgängerzone, bis der Olymp erreicht war und sie den Status Superstars trugen. Volle Konzerthallen, Millionen Plattenverkäufe und Fans, die aufs Hausboot krabbelten. Das ohne Agentur, Management und eigene Presse. Woher nimmt man als Familie diese Kraft, immer wieder neu aufzustehen? Gab es Momente, in denen Sie als Kind dachten, ich habe keine Lust mehr?

Ich denke, das ist unser irisches Blut. Der Name Kelly bedeutet im Gälischen „kämpferisch“. Es scheint über Generationen in unseren Genen zu liegen, dass wir uns nicht unterkriegen lassen. Ich glaube, dass das eine große Rolle spielt. Unser Vater war eine große Persönlichkeit, ein kämpferischer Typ und sehr autonom.

In meiner Erinnerung hatte ich eine sehr schöne Kindheit, bis meine Mutter starb. Die ersten 12 Jahre meines Lebens waren ein bisschen wie eine „Heidi-Welt“. Danach fingen die schwierigen Zeiten an. In den 90er Jahren, als ich Anfang bis Mitte 20 war, hatte ich eine Phase, in der ich aufhören wollte. Heute bin ich froh, dass ich das nicht getan habe. Ich liebe die Musik. Es gibt immer wieder Phasen im Leben, in denen wir überlegen, egal ob wir Musik oder etwas anderes machen, alles über Bord zu werfen und alles hinterfragen. Heute bin ich froh, dass ich das nicht getan habe, denn sonst würde ich keine Songs mehr schreiben. Solche Krisen sind wichtig im Leben. Egal ob als Musiker, Bäcker oder Elektriker.

Vermissen Sie diese Zeit manchmal?

Ja, die Zeit der Kindheit auf jeden Fall. Die 90er Jahre bedingt. Wenn der Tag schwer war und jeder will etwas, wünschte ich, ich wäre noch einmal Kind und unbeschwert und würde mit meinen Eltern und Geschwistern im Doppeldeckerbus durch die Welt fahren.

Könnten Sie sich Ihr Kinderleben für Ihre eigenen Kinder vorstellen?

Nicht wirklich. Nicht, weil es nicht schön war, sondern weil ich ein ganz anderer Mensch bin als meine Eltern. Mein Vater war der treibende Motor der Familie. Meine Mama hat das unterstützt und mitgemacht. Sie war abenteuerlicher, als ich es bin. Obwohl sie sehr ruhig war, hatte sie den Mut das mitzumachen. Ich brauche Sicherheit, ich brauche ein Haus, auch wenn ich unheimlich gerne reise und unterwegs bin. Wir haben ein zweites Zuhause auf Mallorca, ich bin gerne in Spanien oder Frankreich. Vor der Pandemie war ich öfter in London. Aber ich brauche auch mein kleines Zuhause, meinen persönlichen Anker. Ich glaube, dass meine Kinder von ihrer „Hippie-Mama“, wie sie mich nennen, mehr abbekommen haben, als ich es geplant hätte. Sie sprechen mehrere Sprachen, reisen gerne und sind sehr offene Menschen. Sehr multikulturell.

Nachdem Ihr Vater gestorben ist, hat jedes Bandmitglied eher seinen eigenen Weg gesucht. Es gab über Jahre eher wenig gemeinsame Auftritte. Bei dem Weihnachtssong “Christmas In Our Hearts“ hatte ich so ein bisschen den Eindruck, – da ist sie wieder, diese alte Wucht – Dinge erreichen zu wollen. Ist das nur meine Interpretation?

Das ist eine interessante Frage, schön, dass sie das fragen. Das Feedback einiger Fans war, dass man bei diesem Video „die alten Kellys“ wieder sieht. Das hat mein Herz erwärmt, muss ich sagen. Ich denke, wir werden alle älter und haben zueinandergefunden wie noch nie. Weiterhin glaube ich, dass gewisse Schicksale im Leben einen verändern. Ich kann nur für mich sprechen, aber ich schätze meine Geschwister mehr denn je, auch wenn sie mir manchmal auf den Keks gehen. Ich bin dankbar, dass ich sie habe, vor allem in dieser unvorhersehbaren Zeit, in der wir uns gerade befinden.

Die Welt kennt Sie, vermutlich müssten Sie auch nicht mehr arbeiten, Sie waren mehrfach schwer krank – was treibt Sie an, immer weiterzumachen?

Ich mache das nicht, um berühmt zu sein. Das, was mich antreibt, ist nicht Ruhm oder Geld, sondern eine Leidenschaft, die ich im Herzen trage. Ich schreibe leidenschaftlich gerne Songs und ich schreibe sie in erster Linie erst einmal für mich selbst und teile sie dann mit der Welt. Umso schöner dann, wenn sie die Menschen berühren. Für mich sind Songs eine Art Selbstheilung und hätte ich das Songwriting nicht, müsste ich eine neue Form finden, die so therapeutisch ist.

Ich bin meinem Vater unendlich dankbar, der mich in den 90er Jahren ermutigt hat, Songs zu schreiben. Damals waren sie noch recht primitiv, aber es hat sich mit den Jahren entwickelt. Musik zu machen ist eine Notwendigkeit für mich. Ich habe auch nichts anderes gelernt. Bekannterweise brauch der Mensch mehr als Status, Geld und Ruhm. Der Mensch lebt von der Liebe, von Geben und Nehmen. Vor allem von Geben. Es gibt keine größere Freude als zu schenken. Und das mache ich mit meinen Songs: Ich schenke sie. Und das treibt mich an. Ich gebe zu: Ein bisschen Weltverbesserer bin ich auch. Mit meinen 52 Jahren kenne ich die Realität des Lebens, aber in mir ist der Idealist, der die Welt mit meiner Musik ein Stückchen besser machen möchte. Meine Texte sind oftmals aufbauend und das ist nicht unbewusst. 

Gibt es für Sie Hobbys, die nicht mit Musik zu tun haben? Ernsthafte Frage.

Ich habe gute, alte Freunde. Teilweise seit über 30 Jahren. Diese Freundschaften entspannen mich, ich kann ganz ich sein, weil ich für sie kein „Star“ bin. Ich hasse dieses Wort, weil ich mich so nicht sehe. Ich bin Künstlerin. Das andere ist mein Glaube. Ich pilgere gerne, reise gerne in Klöster. Ein-, zweimal im Jahr fahre ich ins Kloster seit Jahrzehnten. Das ist nun im Moment nicht möglich und das schmerzt mich sehr. Ansonsten bin ich mit meinem Mann und meinen Kindern gerne in unserem zweiten Zuhause, auf Mallorca. In den Bergen wandern zu gehen, ist für mich eine große Freude, dort kann ich wirklich abschalten und über nichts nachdenken, auch nicht über Musik.

Was sind Ihre nächsten Ziele. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Ganz ehrlich, mir ist es 2021 ganz klargeworden, wie wichtig Gesundheit ist. Auch wenn ich zwei Krankheiten erlebt habe, ist eine akute Krankheit doch immer ein Schock. Meine letzte Corona-Erkrankung war heftig und ich habe lange gebraucht, mich zu erholen. Gott sei Dank, geht es mir jetzt wieder gut. Im Moment sind meine Ziele sehr bescheiden, aber trotzdem sehr wichtig: Gesundheit, Gesundheit, Gesundheit. Allerdings freue ich mich beruflich enorm, dass ich gerade mein Album „Unbreakable“ veröffentlicht habe und auf Platz 2 der Deutschen Charts eingestiegen bin. Das ist wirklich eine große Freude. Ich freue mich auf die kommenden Monate, es gibt viele TV-Auftritte, Interview. Und natürlich meine Tour, die dieses Jahr beginnt und nächstes Jahr weitergeht. Und natürlich auch die Tour der Kelly Family.

Wann beginnt Ihre verschobene Tournee und treten Sie auch hier im Norden Deutschlands auf?

Wir starten meine Tour in diesem September mit zwei Konzerten und dann geht es im Frühjahr richtig los. Dann werde ich natürlich auch im Norden sein und freue mich sehr darauf: 21.02.2023 Bremen, 22.02.2023 Hamburg, 23.02.2023 Lübeck

Frau Kelly, herzlichen Dank für das Gespräch. A.T.L