Nach den Lockdowns, den Corona-Maßnahmen folgte direkt der Ukraine-Krieg und Energieprobleme. Darunter leiden besonders energieintensive Industriebranchen in der Chemie oder bei Metall, Papier und Keramik – und die Bauindustrie. Im November ging der reale, also um die Inflation bereinigte Auftragseingang im Bauhauptgewerbe im Vergleich zum Vormonat um 5,6 Prozent zurück. Viel heftiger fiel der Rückgang mit 7,7 Prozent im Tiefbau aus. Das zumindest teilte das Statistische Bundesamt mit. Wir wollten wissen, wie sich die Zahlen in der Praxis da stellen. Ein Gespräch mit dem bauXperten André Meyer über Inflation, Energiepreise und Lieferengpässe. André Meyer leitet das Unternehmen bauXpert Schulte in Papenburg. Herr Meyer, die Corona -Maßnahmen haben ja die Baubranche eher nicht betroffen. Dafür trifft die Branche jetzt um so härter, kann man das so sagen oder gilt das für das Emsland nicht? Die Corona-Maßnahmen haben uns bedingt getroffen, insofern wir massiv mit Personalausfall zu tun hatten, der Lieferprobleme mit sich brachte und schwierig zu kompensieren war. Es war sehr anstrengend, die nötigen Mengen an Baumaterial zu erhalten und somit die Baustellen zu bedienen. Um bei Lieferengpässen trotzdem liefern zu können, haben wir unsere Lagerbestände um ca. 50 Prozent erhöht und treten bis zum heutigen Tag in Vorleistung. Was aber die Umsätze betrifft, hatten wir in der Corona-Zeit keine Nachteile. Für die Baustoffhändler war es eher ein wirtschaftlicher Vorteil. Viele Leute hatten während der Lockdowns Zeit, renovierten oder entdeckten das Heimwerken für sich. Der Handel war im Prinzip ein gutes Mittel gegen die unwirkliche Ruhe, die diese Zeit mit sich brachte. Angesichts der drohenden Energieknappheit warnt der Baustoff-Fachhandel vor neuen Lieferengpässen. Inwieweit sind die Baustoffhändler und damit auch Bauherren davon betroffen? Der Krieg in der Ukraine wirkte sich sofort auf die energieintensiven Industriebranchen aus. Die Sanktionen, die wir verhängt haben, schaden uns im Energiebereich selbst am meisten. Wir als Händler sind am Ende der Kette, aber die Hersteller haben die hohen Preise direkt gespürt. Produzenten, die auf Brennöfen angewiesen sind, haben keine Planungssicherheit, somit können sie nicht abschätzen, wie sich die Energiekosten entwickeln und keine dauerhaften und verbindlichen Preise festlegen. Ausschalten können sie die Öfen aber auch nicht, da sie dann zerstört wären. Nicht vorhandene Planungssicherheit ist auch der Grund, warum ein mir bekanntes Unternehmen, welches in Deutschland bauen wollte, jetzt in die USA abwandert. Grundsätzlich wird es den Firmen und insbesondere dem Mittelstand, der ausbildet und Arbeit schafft, in Deutschland sehr schwer gemacht, was immer mehr Firmen und dringend benötigte Fachkräfte abwandern lässt. Man kann natürlich als Staat besser eine elektronische Arbeitszeiterfassung verpflichtend einführen, die ist aber für kleine Unternehmen nur sehr schwierig umzusetzen. Gleiches gilt für den gesetzlichen Mindestlohn. Das ist im Übrigen ein sehr strittiges Thema. Wir haben eine Tarifautonomie in Deutschland, somit ist es schon fraglich, warum dieses zum Thema von Politkern gemacht wird. Obwohl es immer wieder behauptet wird, wirkt der Mindestlohn dem Fachkräftemangel nicht entgegen. Obwohl nun bereits für einen einfachen Job gesetzlich 12 Euro bezahlt werden müssen, liegen in den Betrieben faktisch keine Bewerbungen vor. Der Fachkräftemangel ist nach wie vor ein großes Problem. In diesem Zusammenhang haben wir viele Menschen in den letzten Jahren aufgenommen und dachten, wir wirken so dem Mangel entgegen. Wir glaubten, wir könnten diesen Menschen unsere Werte überstülpen, unsere Arbeitsmoral, unser Denken und es hat nicht funktioniert. Faktisch herrscht heute in allen Branchen ein dramatischer Personalmangel! Jetzt kaufen wir kein russisches Gas, zumindest nicht offiziell. Über Umwege kaufen wir es ja doch, nur für einen doppelten Preis. Haben Sie dafür Verständnis? Da ist natürlich viel Idealismus, Gerede und Doppelmoral dabei. Alle reden von CO₂, aber die Flughäfen sind mehr als sehr gut besucht. Auch E-Autos sind eine Scheindebatte, obwohl ich die Technologie für urbane Gebiete durchaus für sinnvoll halte. Das Problem: Es werden für den Markt nur noch „Riesenautos“ produziert, welche bis zu drei Tonnen wiegen, somit brauche ich – ganz simpel gedacht - für so ein Fahrzeug Unmengen an Rohstoffen, woraus sich auch 3 kleine Autos bauen ließen. Das ist aber nicht erwünscht. Immerhin aber ein Auto mit „umweltfreundlichem“ Antrieb, könnte man sagen - was ebenfalls nicht korrekt ist, weil der Strom eben nicht nur „grün“ ist. Gerade in Deutschland. Dann gibt es Menschen, die sich auf Straßen kleben und dann nach Bali fliegen, obwohl sie erklären, sie wollen die Umwelt schützen. Man kann dieses sehr zwiespältige Verhalten der Menschen unzählig fortführen. Es ist, neben der wirtschaftlichen schwierigen Zeit und der Inflation, insgesamt eine denkwürdige Entwicklung. Wie schlägt sich die Inflation im Baugewerbe nieder und wie reagieren die Kunden? Normalerweise ist es so, dass die 70 Prozent unserer gewerblichen Kunden von uns am Anfang des Jahres eine Preisliste erhalten. Letztes Jahr mussten wir sie viermal korrigieren. Wir leben derzeit mit Tageskonditionen, da viele Faktoren in die Preise einfließen. Für die privaten Bauherren ist es allerdings ein Desaster geworden. Die Nachfrage nach Einfamilienhäusern existiert quasi nicht mehr. Das wird den vielen kleinen Bauunternehmen auf die Füße fallen, wenn der normale Wohnungsbau 2023 nicht anzieht. Würden Sie sagen, dass die Zahlen des Statistischen Bauamtes für die hiesige Region stimmig sind und wenn ja, warum ist besonders der Tiefbau betroffen? Der Tiefbau ist zuerst betroffen, da er Baugebiete erschließt. Wenn niemand baut, braucht nichts erschlossen zu werden. Obwohl die Regierung 2021 ankündigte, dass 400 000 neue Wohnungen gebaut werden sollten, passiert nichts. Nicht nur in Berlin, wo sich auf jede Wohnung im Durchschnitt 169 Personen bewerben. Auch im Emsland herrscht Wohnungsmangel, von den Niederlanden ganz zu schweigen. Was sind die Hintergründe? Das war immer ein großes Ziel, jeder Regierung und es wurde immer verfehlt. Derzeit aber leidet der Bau unter einem Mix aus flauer Konjunktur, hohen Energiekosten, steigenden Zinsen, hohen Grundstückspreisen sowie einem Mangel an Material und Arbeitskräften. Hinzu kommt die Bürokratie. Wenn Städte und Gemeinden keine Grundstücke erschließen, kann nicht gebaut werden. Um die Situation auf dem Wohnungsmarkt, gerade in Städten zu entspannen, benötigt es Förderung. Gerade im letzten Jahr hat man viele Programme gestrichen. Abschreibungen wären ein wichtiges Thema, sie kostet dem Staat erstmal nichts. Wenn man den Markt entlasten will, wären Abschreibungen eine gute Möglichkeit, um den Markt wirklich voranzutreiben. Was glauben Sie, wie sich das Jahr 2023 für das Baugewerbe entwickelt – könnte es auch eine positive Richtung sein? 2023 profitieren wir vom Überhang des letzten Jahres, aber wir alle sind zwingend auf Folgeaufträge angewiesen. Leider habe ich keine Generallösung. Aber wir haben den Vorteil, dass wir eine Branche bedienen, die dringend gebraucht wird und wo es einen großen Bedarf gibt. Viele Märkte sind einfach gesättigt, aber wir wissen, es gäbe genug zu tun. Es fehlt die Umsetzung. Es braucht Anreize wie Abschreibung - und Fördermöglichkeiten und wenn sich Menschen dazu entschließen, Wohnungen zu bauen, müssen sie davon auch profitieren. Wer viel bewegt, soll auch viel verdienen, aber da sind wir in Deutschland bedauerlicherweise wohl zu sehr Neidgesellschaft. Herr Meyer, danke für das Gespräch. A.T.L