„Sollte ich jemals eine Heilige werden, dann werde ich zweifellos eine Heilige der ‚Finsternis‘ sein. Ich werde mich nie im Himmel aufhalten, sondern das Licht derer entzünden, die auf Erden im Dunkel leben.“Gonxha Agnes Bojaxhu – bekannt als Mutter Teresa – schreibt diese Sätze 1959. Zu diesem Zeitpunkt hat sie bereits erfolgreich einen neuen Orden gegründet, der sich in Indien um die Ärmsten der Armen kümmert: die „Missionarinnen der Nächstenliebe“.

Selbst wenn die von Papst Franziskus Heiliggesprochene schon ein Vierteljahrhundert tot ist, zieht sie weiter viele Besucher und Freiwillige in die indische Stadt Kolkata, die zu ihren Lebzeiten noch Kalkutta hieß. Denn nach ihrem Tod leitete Papst Johannes Paul II. die Seligsprechung mit beispielloser Geschwindigkeit ein. „Ihre Seele war erfüllt vom Licht Christi, und sie brannte vor Liebe zu ihm“, schrieb der Vatikan in einer Biografie von Mutter Teresa. Die Nonne widmete ihr Leben den Armen der Armen als Missionarin Gottes und brachte Gottes Barmherzigkeit aus Kalkutta in die Welt. Am 9. Oktober 2003 wurde Mutter Teresa in Rom offiziell selig gesprochen.

Moderne Heilige?

Schon zu ihren Lebzeiten war die Nonne von einem Mythos umgeben, der eine sehr unangenehme Realität effektiv verdeckte: Dank der Propaganda der katholischen Kirche erinnern wir uns an die Nonne als moderne Heilige, eine selbstlose, aufopfernde Ordensfrau, die ihr Leben ganz der Armen- und Krankenpflege widmete. Ihre Tätigkeit in den Slums von Kalkutta erregte weltweite mediale Aufmerksamkeit. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter die Freiheitsmedaille der Vereinigten Staaten 1985 sowie 1979 den Friedensnobelpreis. Ihr Tod im Jahr 1997 löste eine große Trauerwelle aus, woraufhin sofort die Mythenbildung um ihre Person begann, die eine kritische Auseinandersetzung erheblich erschwerte.

Leben und Wirken

Vor ihrem Tod im Jahr 1997 führte sie 517 Missionen, viele davon in Kalkutta, der Hauptstadt des indischen Bundesstaates Westbengalen. Vorwürfe finanzieller und medizinischer Korruption haben Mutter Teresa bereits in den letzten zwei Jahrzehnten ihres Lebens verfolgt. Serge Larivée und Genevieve Chenard von der University of Ottawa veröffentlichten 2012 ein Papier, in dem Teresas Verbrechen aufgelistet wurden.  Ärzte, die ihre Mission besuchten, stellten Berichten zufolge fest, dass ein Drittel der Patienten „keine angemessene medizinische Versorgung erhielten, sich hinlegten und starben. Die Ernährung sei katastrophal und zuweilen wurde das medizinische Besteck nicht ausreichend desinfiziert. Leicht heilbare Patienten wurden nicht in ein Krankenhaus eingewiesen, sondern sie stattdessen zu Tode gepflegt. Sie habe nicht selbstlos gehandelt und hauptsächlich versucht, die Armen zum Christentum zu bekehren”, so weiter im Papier. Die Zustände in ihren Missionen waren tatsächlich so furchtbar, dass sie mit Aufnahmen des Konzentrationslagers Bergen-Belsen verglichen wurden.

Als man sie mit diesen Vorwürfen konfrontierte, soll Mutter Teresa laut dem britisch-amerikanischen Schriftsteller und Religionskritiker Christopher Hitchens gesagt haben: „Es hat etwas Schönes zu sehen, wie die Armen ihr Schicksal akzeptieren und es erleiden wie die Passion Christi. Die Welt gewinnt viel aus ihrem Leiden.”

Auch sahen die Missionare in den Missionen davon ab, sich der Palliativmedizin zu bedienen, um zumindest die Schmerzen der sterbenden Patienten zu lindern. Mutter Teresa, selbst jedoch, machte kurz vor ihrem Tod von Palliativmedizin Gebrauch. Nach ihrem Tod wurden in den Lagern ihrer Hospitäler große Mengen schmerzlindernder Mittel gefunden, die aus Spenden stammten, die sie aber ihren Patienten vorenthalten hatte.

Spenden und viele Fragen

Aufgrund des großen Bekanntheitsgrades von Mutter Teresa, erhielt ihr Orden große Geld- und Sachspenden. Bei den Armen und Kranken kam davon aber nur sehr wenig an. Quellen in Großbritannien zeigen, dass 1991 den Einnahmen von umgerechnet etwa 2,6 Millionen Euro nur 180.000 Euro Ausgaben gegenüberstanden, also nur etwa 7 %.  Eindeutig klar ist es nicht, was mit dem überwiegenden Teil der Spenden geschah. So veröffentlichte das Magazin Stern am 10.09.1998 eine vernichtende Kritik von Mutter Teresas Werk mit dem Titel: „Nehmen ist seliger denn geben, Mutter Teresa: Wo sind ihre Millionen?“

Ganz abgesehen von dieser Diskussion sind auch die Positionen der Ordensschwester zu hinterfragen. Sie bekämpfte aktiv die Empfängnisverhütung, brüstete sie sich damit, Opfern der Epidemie AIDS zu helfen und bekämpfte gleichzeitig Kondome. Die Einstellung und Denkweise von Mutter Teresa ist nicht selten exemplarisch für die katholische Kirche. Es ging hier nicht darum, Menschen irdisches Leid zu mildern oder zu ersparen, sondern darum, die Seelen der Menschen fürs Jenseits zu retten. Bekanntlich verursacht körperliches Leid bei vielen Patienten Panik, die dann dazu führt, dass man nach jedem vermeintlich rettenden Strohhalm greift.

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