Mit der Hand röntgen
Knochenbrecher ist eine volkstümliche ostfriesische Bezeichnung für den alternativen Heilkundigen oder Chiropraktiker. Mit dem Brechen von Knochen hat das nichts zu tun. Zu den Kenntnissen gehören das Einrenken von Gliedmaßen und das Einrücken von Wirbeln – seine Praktiken stützen sich zuweilen auf eine spezielle Begabung. Nicht selten wurde früher das „Amt“ und die Fähigkeit des Knochenbrechers in der Familie weitergegeben. So ist es auch bei Jan Feikes aus Weener. Er kommt aus der Familie der alternativen Heiler. Bereits sein Vater und Onkel haben diese Tradition gelebt.Herr Feikes, habe ich das in der Einleitung richtig beschrieben? Würden Sie sagen, das ist das was Sie tun oder habe ich was vergessen?
Nein, das haben Sie korrekt beschrieben, dazu kann man auch nicht mehr sagen.
Dieser Begriff „die Begabung in der Familie weitergeben”, irritiert mich. Kommt man als Kind in so einer Familie zur Welt und es ist schon vor der Geburt klar, so – da kommt der neue Heiler-Nachwuchs? Das ist doch unglaublich, wie kann man den so eine Fähigkeit vererben? Oder sprechen wir nicht vom klassischen Erbe?
Doch wir sprechen im Prinzip tatsächlich von einem klassischen Erbe. Mein Vater hatte ungewöhnliche Hände. Da meine Hände genauso aussahen, hat man direkt vermutet, dass auch ich die Fähigkeit besitzen könnte, bestimmte Dinge zu ertasten.
Wie stellt man sich ungewöhnliche Hände vor?Die Fingerkuppen sind sehr spitz und in den Spitzen sind sei besonders feinfühlig, sodass ich kleine Sehnen und Bänder spüren kann. Natürlich braucht es auch Übung und Anleitung. Mein Vater hat mir gezeigt, welche Sehne oder welcher Wirbel wo sitzt und was sie bewirken. Erst an kleineren Tieren und dann an größeren.
Wie lange braucht man, um wirklich jeden Wirbel zu kennen?
Jahre. Das ist tatsächlich neben dem Fühlen auch ein großer Lernprozess.
Kann man diese Form von heilen erlernen?
Ich glaube es nicht. Das fragen mich viele Menschen. Man kann das natürlich versuchen und es ist auch möglich, dass es Seminare dafür gibt. Mir ist zumindest kein Mensch bekannt, bei dem das geklappt hat.
Gibt es Momente in denen sagen, das behandele ich nicht?
Die gibt es. Wenn ein Gelenk sehr geschwollen ist und ich durch die Schwellung gar nichts spüren kann, ergibt es keinen Sinn ein Tier zu behandeln. Ich behandele nur, wenn ich fühlen kann, was der Grund für das Problem ist.
Wie steht die Schulmedizin zu Ihnen?
Gespalten. Es gibt Tierärzte, die meine Arbeit anerkennen und auch gut finden. Genauso gibt es solche, die sagen – was willst Du denn bei dem Bauern.
Beneidet man Sie das Können oder um das Geld, was Sie damit verdienen?
Das kann ich Ihnen nicht sagen, vielleicht ist es auch einfach ein falsches Verständnis, von dem, was ich tue. Geld? Wenn ich sehr weit fahren muss, geben mir die Menschen in der Regel automatisch das Spritgeld, ansonsten gibt man mir das, von dem man glaubt, dass es das wert war, wir reden also von Spenden.
Sie haben mir in einem Vorgespräch gesagt, sie wollten diesen Job eigentlich gar nicht machen. Warum haben Sie sich dann doch dafür entschieden?
Nun, es ist ja eine große Verantwortung und natürlich manchmal auch durchaus stressig. Ich fahre inzwischen unter anderem bis nach Bagband, um dort Tiere in einem großen Milchbetrieb zu behandeln oder ähnliche Strecken. Als ganz junger Mensch war ich mir nicht sicher, ob ich das wirklich will. Da ist ja auch noch das ganz normale Leben – Du bist in einer Ausbildung, hast einen festen Job, eine Familie und da stellte sich schon die Frage, kann ich das alles schaffen? Dann habe ich aber angefangen zu helfen und bisher ist es dabei geblieben.
Was treibt Sie an? Ist es das Gefühl helfen zu können?Ja. Wenn mich an Weihnachten Menschen anrufen und einfach noch mal Danke sagen wollen, weil es dem Tier inzwischen richtig gut geht, freut mich das sehr – weil dann wirklich Weihnachten ist.
Herr Feikes, ich bedanke mich für das Gespräch. A.T.L