Winschoten, auch “die Rose der Region” genannt. Diesen Namen verdankt sie dem Rosarium, dem historischen Stadtzentrum, aber auch den kleinen Einkaufsstraßen. Die Stadt Winschoten blickt zurück auf eine reiche Geschichte, sie erhielt bereits im Jahr 1391 Stadtrechte. Die vielen historischen Gebäude halten die Vergangenheit lebendig. Der Immobilienmarkt in Winschoten ist allerdings schwierig, wie in den Niederlanden insgesamt. Jan Dammer, der in Winschoten lebt, macht sich Gedanken über seine Heimatstadt. Im Gespräch mit ihm und David Maas erfährt man zwei Sichtweisen von Unternehmern auf eine Stadt.

Herr Dammer, was genau würden Sie in Winschoten verändern? Sie, der ja mit Sorge auf die Stadt blickt.

Zuerst fallen mir die Mietpreise ein, es ist kaum normales Wohnen zu normalen Preisen in Winschoten möglich. Unabhängig davon, dass es insgesamt zu wenig Häuser gibt und diese im großen Stil verfallen. Viele Häuser müssten renoviert werden, die Stadt investiert nicht oder wenn zu wenig. Oft habe ich den Eindruck, dass es der Stadtverwaltung egal ist, was passiert und der Regierung sowieso. Das mag nur mein gefühlter Eindruck sein.

War früher aus Ihrer Sicht alles besser?

Es mag wie eine Hommage für die gute alte Zeit klingen, aber früher waren Menschen aus Winschoten in den Ämtern und hatten den Anspruch, das Beste aus der Stadt zu holen. Vielleicht, weil sie es als ihre Heimat sahen oder weil sie die Stadt liebten. Heute entscheiden oftmals Menschen, die mit Winschoten außer ihrem Job nichts verbindet.

Sie, Herr Maas, haben jede Menge Kontakt zu genau diesen Entscheidern, würden Sie sagen, das ist so korrekt?

Wir sehen viele Chancen und Möglichkeiten für die Sanierung und Entwicklung in Winschoten. Aber uns steht tatsächlich manchmal die Komplexität und der Entscheidungszeitraum der zuständigen Personen bei der Gemeinde uns etwas im Weg. Wir haben Zeiten gekannt, in denen die Gemeinde uns wöchentlich angerufen haben, um mit uns die Entwicklung der Stadt zu planen, die Zusammenarbeit funktionierte und die Bemühungen waren sehr groß. Inzwischen ist  die Gemeinde in eine abwartende Position geraten – abhängig von der Provinz, in Deutschland würde man vom Landkreis sagen.

Was mir persönlich aufgefallen ist, wobei ich nicht weiß, ob der Zustand der Corona-Krise geschuldet ist, es stehen am Ende der Einkaufstraße doch jede Menge Geschäfte leer….

Jan Dammer: Das ist so. Wo wir wieder bei den Mietpreisen sind. Früher gab es in der Stadt aber auch viel mehr Aktivitäten. Die Braderie war ein Magnet, welches Menschen aus allen Richtungen anzog. Niemand fühlt sich zuständig. Insgesamt passiert viel zu wenig in der Einkaufstraße. Vielleicht gibt es einfach auch kein Interesse, ich weiß es nicht.

David Maas: Es ist nicht nur das Coronavirus, welches die Ladenbesitzer getroffen hat und es liegt auch nicht nur an den Mietpreisen. Die neue Generation ist online aktiv. Das erkennt man an der Explosion der Online Shops. Leute kaufen Kleidung online und auch die wöchentlichen Einkäufe werden immer öfter online bei dem Supermarkt bestellt. Aus verschiedenen Daten können wir erkennen, dass dieser Weg derzeit der Trend ist. Die Leute gehen nicht mehr für eine Pizza oder eine Pommes in ein Lokal, sie bestellen das Essen nach Hause. Es liegt an uns, die Chancen um die Läden in der Einkaufsstraße neu zu entwickeln.

Herr Maas, empfinden Sie die Stadt auch als nicht lebendig?

Das Problem in den Niederlanden ist ein grundsätzliches und betrifft nicht nur in Winschoten. Im ganzen Land gibt es zu wenig Wohnungen im Miet- und Kaufbereich. Wir als Firma Vastgoed sanieren und entwickeln soziale Mietwohnungen in Groningen und Drenthe. Das sind Mietwohnungen mit einem Mietpreis unter dem Mietgrenzpreis, also unter 752,33 Euro.  Wir sehen schon seit Jahren in verschiedenen Städten, auch in Winschoten eine Forderung nach bezahlbaren Mietwohnungen. Es muss möglich sein, dass Menschen in den Städten und nicht nur in den Randgebieten leben, dann entsteht auch neues Leben in der Stadt.

Inzwischen bauen Sie das alte Schwesternwohnheim aus, was für Wohnungen entstehen dort?

An  diesem einzigartigen, wirklich schönem Ort in Winschoten entwickeln wir 54 Studios und Appartments für ein-bis zwei Personenhaushalte. Wir geben alten Steine eine zweite Chance. Das Schwesternhaus hat Jahre ohne eine Bestimmung ​leer gestanden. Wir sind froh, dass wir etwas für das Gebäude und die Umgebung tun können. So erhält das Haus ein zweites Leben und wird die Geschichten von den früheren Bewohnern erzählen, wichtiger aber ist – es entstehen auch neue Geschichten.

Wo sehen Sie Winschoten in 20 Jahren?

Jan Dammer: Ich hoffe auf Menschen, die sich mehr in die Stadt einbringen. David Maas macht ja ein Anfang.

David Maas: Wir werden eine neue Generation sehen, mit eigenen Traditionen -die durchaus  gut sein kann, in der man hoffentlich ein bisschen mehr aufeinander und auf die Umwelt achtet. Wenn wir die Zeit im Blick haben und uns neu aufstellen, glaube ich an eine sehr schöne Zukunft der Stadt. Wir sollten das Alte erhalten, aber neuen Ansichten Raum geben. A.T.L